Verstummende Gruppendynamik

13.06.2023 09:27
#1 Verstummende Gruppendynamik
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Zu viele Chöre (auch initiiert durch ihre Chorleiter) haben während Corona sehr lange pausiert.
Einige länger, andere weniger lang – ich gehöre zur Sorte, die jede rechtliche Möglichkeit zum Proben genutzt hat.
Ob das nun leichtsinnig war oder nicht, wird die Geschichte zeigen (im Augenblick scheint sie mir Recht zu geben) – das ist aber nicht das Thema.
Wie schon an anderer Stelle geschrieben hatte ich durchgängig eine Anwesenheit von 70%.
Gehe ich davon aus, dass das in anderen Chören auch so war, fragte ich mich, warum Sänger aus anderen Chören, die nicht sangen mir nicht die Bude einrannten.
D.h. Chöre, die nicht sangen hatten immer noch 70% sangeswillige Sänger. Was machten die denn gerade?

Die Antwort kam in 2022, wo im Sommer wieder vieles normal laufen konnte.
Die Antwort ist aber erschreckend und lässt mich über den Menschen als „Krone der Schöpfung“ nochmal nachdenken.

Sänger sind ihren Chören treu. Das ist ja normalerweise toll.
In diesem Fall aber doof.
Wenn der eigene Chor nicht probt, weil der Chorleiter, der Vorstand oder die Kirchengemeinde sagen, dass das jetzt nicht geht, andere Chöre in der Umgebung aber proben, dann bleibe ich evtl. noch bei „meinem“ Chor, bis der auch wieder loslegt und wechsle den Chor nicht.
Soweit so verständlich und auch nicht zu kritisieren (außer man ist 'ich' und reißt sich den A.... auf, um Proben zu ermöglichen ).

Wenn der Chor sich aber nun auflöst, weil doch einige abgewandert sind, oder der Chorleiter 2021 den Schlüssel zum Chorraum weggelegt hat und ihn nun nicht mehr wiederfindet (er also auch nicht mehr will), dann suchen sich diese Sänger, denen Singen jahrzehntelang Freude bereitet hat, nicht etwa einen neuen Chor. Sie hören nun mit dem Singen auf. Mein Chor hört auf – also höre ich auf!

Das kann ich so nicht akzeptieren. Singen ist ein Grundrecht und (wie ich behaupte) ein Grundbedürfnis.
Man (auch ich) muss also von seinem hohen Ross absteigen und nicht denken, dass Sänger einfach so zum nächsten Chor wandern. Das war früher so!

Da hilft nur das aktive Ansprechen.
Ich habe auch schon eigene Chorsänger losgeschickt, um im Nachbardorf, wo der Chor auf einmal weg war (und die Sänger einfach nicht mehr sangen) für den Chor zu werben.
Visitenkarten des Chores mit Probenzeiten und Ansprechpartner helfen ungemein und natürlich das persönliche Gespräch.
Auch wir Chorleiter müssen aktiv werden, denn diese Sänger fühlen sich meist zu allem Überfluss dann noch zu alt, um weiter zu singen (bzw. nutzen diese Ausrede, um sich selbst vom Singen abzuhalten).
Diesem Gedanken können dann nur wir den Zahn ziehen.
In die Gemeinschaft einladen können aber am besten andere Chorsänger.

Initiieren lässt sich solche eine Werbekampagne am besten, indem man seinen eigenen Chor von Anfang an involviert.
D.h. man bespricht das Vorhaben in einer Probe und fragt, ob jemand aus dem Chor Kontakt zu einem oder mehreren ehemaligen Sängern des anderen Chores hat.
Diesen ersten Kontakt nutzt man als Keimzelle, um weitere Ansprechpartner und Sänger zu erfahren.
War es ein ehemaliger Kirchenchor könnte man das Vorhaben auch mit dem dortigen Pastor besprechen, der dann wiederum Sänger anspricht und einlädt mit dir oder anderen Sängern in Kontakt zu treten.
Evtl. bietet man an, 1-2x im Jahr (mehr nicht, wenn es keine echte Kooperation - auch finanzielle - sein soll), im Gottesdienst der dortigen Gemeinde zu singen.

Am Ende geht es darum zuerst Vertrauen aufzubauen indem man Gemeinschaft und qualitative Proben bewirbt.
Und schließlich muss man sie dann auch anbieten. Dann bleiben diese neuen Sänger und 'dürfen' wieder singen.

PL

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